Marktsegmen­tierung im B2B: Welche Kriterien sind relevant?

Du kannst deine Marketing- und Vertriebsmaßnahmen nicht für jeden einzelnen Kunden individuell anpassen. Deshalb teilst du deinen Zielmakt in sinnvolle Gruppen ein, die du jeweils gemeinsam ansprechen möchtest: in Marktsegmente.

Dafür gibt es unterschiedliche Strategien. Im B2B, und darum geht es hier, orientieren sich traditionelle Marktsegmentierungsstrategien an den demographischen Daten von Organisationen, wie Größe und Region.

Ist das heute noch sinnvoll?

In diesem Artikel erfährt du, warum diese Kriterien allein ungeeignet sind und wie du eine praktikable Marktsegmentierung für dein Unternehmen erarbeitest.

Traditionelle Kriterien für die Marktsegmentierung im B2B

Typischerweise segmentieren B2B-Unternehmen ihre Zielmärkte nach folgenden Kriterien:

  • Branche: Maschinenbau, IT, Managementberatung usw.
  • Art des Angebots und Geschäftsmodells: Softwareentwicklung, SaaS, Maschinenhersteller usw.
  • Anzahl der Mitarbeitenden
  • Umsatz
  • geografischer Standort

Statt Anzahl der MItarbeitenden und Umsatz werden oft die Kategorien Kleinunternehmen, kleine und mittlere Unternehmen (KMU), Mittelstand oder Großunternehmen verwendet.

Warum diese Kriterien?

Diese Marktsegmentierungsstrategie hat sich aus den Strukturen entwickelt, wie Vertriebsorganisationen aufgebaut waren – zu der Zeit, als B2B-Vertrieb noch zu 95 Prozent aus persönlicher Akquisition und Betreuung bestand.

Anhand der Kriterien konnten Unternehmen leicht die Verantwortlichkeiten (und die Boni) unter den Verkäufern aufteilen:

  • Der eine kümmert sich um Norddeutschland, die andere um den Süden.
  • Die eine betreut 3 Konzernkunden, der andere 30 KMU.
  • Der eine konzentriert sich auf die Autozulieferer, die andere um die Maschinenbauer.

Klingt einfach und logisch; ist jedoch ein interne Sichtweise, eher eine Kundensegmentierung als eine Marktsegmentierung.

Weitere Argumente für diese Kriterien sind, dass sie leicht ermittelbar und naheliegend sind. Bei der Recherche lassen sich diese Informationen von Unternehmen zum Beispiel über die Website herausfinden. Es klingt zunächst logisch, dass ein Unternehmen mit 50 Leuten anders tickt als eines mit 500 Leuten.

Als Basis für strategisches B2B-Marketing, und zunehmend auch für den Vertrieb selbst taugt diese Segmentierung kaum noch.

Warum nicht?

Warum reichen die üblichen Kriterien zur Segmentierungen nicht aus?

Die reinen Eckdaten eines Unternehmens sagen nicht über dessen Verhalten und Entscheidungen in Beschaffungsprozessen aus. Selbst wenn sich Unternehmen einer bestimmten Branche oder Größe ähnlich verhalten, sagt diese Einteilung nichts darüber, warum das so ist.

Die Ursachen und Beweggründe können komplett unterschiedlich sein: nämlich die Probleme, die durch ein Produkt oder eine Dienstleistung gelöst werden könnten.

Eben jene Probleme sind jedoch der „Treibstoff“ für dein B2B-Marketing. Kennst du die wahren Probleme deiner Zielkunden, kannst du sie mit den richtigen Botschaften und Argumenten „triggern“ – erst Emotionen und danach Handlungen auslösen.

Nach welchen Kriterien solltest du deine Zielkunden segmentieren, damit du deine Marketingstrategie auf jedes Segment zuschneiden kannst?

Deine Marktsegmentierung muss sich daran orientieren, wer dein Angebot benötigt und warum. Oder anders ausgedrückt: Wer welche Probleme hat und sie mit deinem Angebot lösen kann.

Rein demografisch definierte Marktsegmente sind dafür ungeeignet, denn:

In den Segmenten sind Unternehmen zusammengewürfelt, die völlig unterschiedliche Probleme und damit ein völlig anderes Einkaufsverhalten haben.

Ein Grund dafür ist, dass sich die – scheinbar ähnlichen – Unternehmen in völlig anderen Situationen und Umfeldern befinden. Ebenso können die Organisationststruktur, die Unternehmenskultur und die Prozesse der Entscheidungsfindung stark unterscheiden.

Praxisbeispiele

Schauen wir uns drei konkrete Beispiele an.

Beispiel 1:

Du verkaufst IT-Lösungen und möchtest gezielt größere Maschinenbauunternehmen ansprechen.

Du stößt auf drei Maschinenbauer, die den Eckdaten nach ähnlich sind. Doch ihre Probleme sind jeweils unterschiedlich; und damit ihre Motivation, deine Lösung anzuschaffen:

  • Maschinenbauer 1 macht der Wettbewerb zu schaffen; deshalb will er Prozesse optimieren und Kosten sparen.
  • Maschinenbauer 2 ist gerade dabei, von der reinen Maschinenherstellung auf ein digitales Serviceangebot umzustellen.
  • Maschinenbauer 3 möchte stark wachsen, muss vorher aber seine IT dafür fit machen.

Vorausgesetzt, dass diese Unternehmen keine Einzelfälle sind: Jedes dieser Unternehmen könnte zu einem anderen Marktsegment gehören.

Definitionen wie „mittelständischer Maschinenbauer“ greifen viel zu kurz. Du kannst diese Unternehmen nicht einheitlich ansprechen. Nummer 1 gewinnst du eher über Kostenargumente, Nummer 2 durch innovative Technologie. Nummer 3 hat wieder andere Bedürfnisse. Eventuell ist deine Lösung nicht für alle geeignet.

Es geht auch andersherum, wie Beispiel 2 zeigt:

Du verkaufst wieder IT-Lösungen, und hast die beiden Zielmärkte Maschinenbauer und Unternehmensberatungen ausgemacht.

In beiden Branchen gibt es Unternehmen völlig verschiedener Größe, die erfolgreich und auf aggressivem Wachstumskurs sind. Beide möchten deshalb ihre IT ausbauen.

Obwohl die Rahmendaten völlig unterschiedliche Unternehmen beschreiben, haben sie gemeinsame Probleme. Sie in unterschiedliche Marktsegmente einzuteilen, würde die Sache eventuell unnötig verkomplizieren.

Und noch Beispiel 3, das extrem wirkt, jedoch gar nicht selten vorkommt:

Du verkaufst deine IT-Lösungen an Software-Hersteller.

Innerhalb der Unternehmen kann deine Lösung sowohl für die interne IT (Core-IT) verwendet werden, für den Betrieb der eigenen Systeme. Gleichzeitig kann die Entwicklungsabteilung die Lösung nutzen, für die Bereitstellung der Software-Produkte an deren Kunden.

Beide Bereiche haben teils völlig unterschiedliche Anforderungen an die IT, und du müsstest sie in zwei verschiedene Marktsegmente einteilen.

Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Die Beispiele zeigen, dass oberflächliche Segmentierungen nach Branche oder Größe völlig unzureichend sind.

Die Folgen falscher Marktsegmentierung

Wenn du nun deine Maßnahmen in Marketing und Vertrieb auf diese ungeeigneten Marktsegmente aufbaust, was wird passieren? Zum Beispiel:

  • Du sprichst mit deinen Marketingmaßnahmen eine viel zu große und diverse oder die falsche Zielgruppe an.
  • Dein Vertrieb verschwendet eine Menge Zeit mit Leads, die keinen Erfolg versprechen.
  • Dein Vertrieb nutzt die falschen Argumente in Verkaufsgesprächen.
  • Du versuchst, mit deinem Angebot allen gerecht zu werden; deshalb passt es für niemanden wirklich exakt.

Deine Maßnahmen sind ineffizient, deine Streuverluste hoch. Du erzielst schlechte Ergebnisse oder musst immer mehr Zeit und Geld aufwenden, um Ergebnisse zu erzielen.

So segmentierst du Märkte nach Problemen und Bedürfnissen

Wie entwickelst du eine bessere Marktsegmentierung?

Die Informationen, über die wir hier sprechen, findest du in keiner Adressdatenbank. Setzt euch im Team zusammen: Marketing, Vertrieb, Kundenservice, Geschäftsführung. Tragt eure Erfahrungen und Daten (zum Beispiel aus dem CRM-System) über eure Kunden zusammen. Beantwortet zwei Fragen

  • Welche unterschiedlichen Probleme löst ihr für eure Kunden?
  • Bei welchen Kunden löst ihr welche Probleme?

Erstellt zunächst ein Liste an „Problem-Segmenten“ in euren Zielmärkten. Mit den Problemen allein könnt ihr noch nicht arbeiten.

Denn ihr kennt zwar diese Probleme bei euren Kunden. Jedoch könnt ihr bei anderen Unternehmen nicht ohne weiteres erkennen, ob sie ähnliche Probleme haben oder nicht. Ihr müsstet dazu mit ihnen sprechen. Für die Zielgruppendefinition bei Kampagnen oder die Lead-Qualifizierung benötigt ihr praktikable Kriterien, die sich leicht herausfinden lassen.

Fragt euch als im nächsten Schritt: Welche gemeinsamen, objektiven Merkmale haben die Kunden, für die wir ein bestimmtes Problem lösen (oder bei denen wir bestimmte Bedürfnisse feststellen)?

Das können wieder Kriterien wie Branche, Unternehmensgröße und Region sein. Entscheidend ist, dass ihr Kriterien auswählt, die

  • Unternehmen kennzeichnen, die ein bestimmtes Problem haben und
  • die ihr durch eine Recherche mit vertretbaren Aufwand herausfinden können.

Vielleicht stellt sich bei eurer Analyse heraus, dass ihr sehr kleine und sehr große Kunden habt und diese ähnlich ticken und von euch ähnlich behandelt werden. Dann wäre die Unternehmensgröße irrelevant und folglich kein Kriterium für eure Marktsegmentierung.

Es ist also nicht grundsätzlich falsch, die altbekannten demographischen Kriterien für die Segmentierung eurer B2B-Märkte zu verwenden. Was zählt, ist die Begründung: Nicht, weil es am einfachsten ist, sondern weil ihr herausgefunden habt, dass die Kriterien Unternehmen beschreiben, die ein bestimmtes Problem haben.

Neben dem typischen Merkmalen könnt ihr weitere, individuelle verwenden. Wenn ihr bestimmte, leicht erkennbare Gemeinsamkeiten bei euren Kunden feststellt, habt ihr ein relevantes Kriterium.

Ein hilfreiches Framework für eure Marktsegmentierungsstrategie ist das Ideal Customer Profile (ICP). Folge diesem Link, unter dem ich erkläre, was ein ICP ist und wie du es verwenden kannst.

Fallbeispiel zur Marktsegmentierung

Eine meiner Erfahrung mit einem Kunden zeigt, wie wichtig eine Bedürfnis-orientierte Marktsegmentierung ist.

Bei einem IT-Dienstleister und Systemhaus arbeiteten wir eine Positionierung aus. Wie bei so vielen andere war die bisherige Zielgruppe mit „mittelständische Unternehmen in der Region“ definiert. Auf die Frage, ob wir in diesem Markt zwischen verschiedenen Marktsegmenten unterscheiden müssen, kam die Antwort: „Nein, die Anforderungen sind überall gleich.“

Im Laufe des Persona-Workshops stießen wir bei einer Persona auf einen Widerspruch: Die Vertreter der Persona schienen zwei gegensätzliche Typen zu sein:

  • Die einen lassen sich durch detaillierte Kosten- und ROI-Berechnungen von einem Angebot überzeugen.
  • Die anderen zögern die Investition trotz aller Argumente hinauszögerten und entscheiden eher aus dem Bauch heraus.

Bei der näheren Analyse stießen wir auf die Ursache für die Unterschiede:

  • Die ersten arbeiten in Unternehmen, die Fremdkapital-finanziert und in Konzernstrukturen organisiert sind. Sie müssen vorgegebene Ziel und KPIs erfüllen.
  • Die zweiten findet sich eher in inhabergeführten oder Familien-Unternehmen. Bei ihnen geht es mehr um Tradition, ums gute Gefühl und Sympathie.

Da wir feststellten, dass sich diese Beschreibungen auf viele Unternehmen anwenden ließen, mussten wir mit mehreren Marktsegmenten arbeiten. Finanzierung und Eigentumsverhältnisse sowie Organisationsstruktur waren in diesem Fall relevante Kriterien für die Marktsegmentierung

Branche und Größe der Unternehmen spielten kaum eine Rolle. Mit einer traditionellen Marktsegmentierung wären wir kaum auf diese Unterschiede gestoßen, und hätten unser Content-Marketing nicht gezielt auf die Segmente ausrichten können.