Wie berechnest du als Freelancer deinen Stundensatz? Das ist die große Frage, wenn du als Selbstständiger beginnst. Ich führe dich in diesem Artikel schrittweise durch die Berechnung – und zwar gleich zweimal.
Denn für deinen Start als erfolgreicher Freelancer solltest du zwei verschiedene Stundensätze kennen:
- deinen Mindest-Stundensatz
- deinen Wunsch-Stundensatz
Bist du bereit? Öffne eine Google- oder Excel-Tabelle oder nimm dir Stift und Papier: wir legen los! Eine Vorlage findest du weiter unten.
Kurzer Hinweis: Für wen ist dieser Artikel gedacht? Dieser Artikel richtet sich an reguläre Freelancer, die in längerfristigen Projekten arbeiten und nach Arbeitszeit bezahlt werden – stunden- oder tageweise. Z. B. Berater, Programmierer oder Grafiker. Wenn du als Dienstleister auftreten und pauschale Leistungen oder Projekte anbieten möchtest, ist dieser Artikel weniger geeignet. Dann solltest du nämlich Pauschalpreise verlangen und musst anders kalkulieren.
Wenn du als Texter arbeiten möchtest, schau mal hier: Stundensatz als freier Texter kalkulieren
Berechne deinen Mindest-Stundensatz zum Überleben
Wenn du bei deinem Einstieg als Freelancer schon viele Jahre Erfahrung hast und gefragte Skills hast, kommst du wahrscheinlich leichter an gut bezahlte Jobs. Dann ist dieser erste Teil weniger relevant für dich. Es schadet trotzdem nicht, ihn zu lesen. 🙂
Wenn du dagegen noch unerfahren bist, geht es für dich zuerst darum, Erfahrung und einen Namen aufzubauen. Am Anfang musst du vielleicht zuerst ein paar weniger gut bezahlte Aufträge annehmen. In diesem Fall musst du eine Frage beantworten können:
Was musst du mindestens pro Stunde verdienen, damit du Miete und Essen bezahlen kannst und über die Runden kommst? So rechnest du das aus:
Hier habe ich eine kostenlose Vorlage zur Stundensatzkalkulation für dich erstellt; du musst nur deine eigenen Zahlen eintragen.
Liste alles auf, wofür du privat Geld ausgibst. Schaue in dein Online-Banking oder führe eine Weile über deine Ausgaben Buch, damit du nichts vergisst. Mittlerweile gibt es viele Apps dafür. Vergiss nicht die vielen Kleinigkeiten – den Kaffee vom Bäcker –, die sich summieren können.
Typische private Kosten sind:
- Lebensmittel, Körperpflege, Haushaltsbedarf
- Miete, Nebenkosten, Telefon
- Auto und ÖPNV
- Kleidung
- Freizeit & Unterhaltung
Denke auch an diese Posten:
- Sozialversicherung (Kranken-, Pflege-, Rentenversicherung)
- Private Altersvorsorge, Sparpläne
- Sonstige Versicherungen
- Rücklagen für ungeplante Ausgaben und ggf. für Urlaube
Eine Beispielrechnung für einen 2-Personen-Haushalt:
Private Kosten pro Monat | |
Lebensmittel, Haushalt | 600 € |
Miete und Nebenkosten | 1.000 € |
Versicherungen | 700 € |
Altersvorsorge | 300 € |
Freizeit, Shopping | 200 € |
Auto, Verkehr | 200 € |
Sparen für den Urlaub | 100 € |
Sparen für Rücklagen | 100 € |
Sonstiges | 200 € |
Summe | 3.450 € |
Als Nächstes listest du deine beruflichen Kosten auf. Wenn du zuhause oder nur beim Kunden arbeitest, sind die wahrscheinlich nicht besonders hoch:
Du brauchst einen Computer, etwas Software, Telefon und Internet. Damit solltest du auskommen. Plane jedoch von vornherein extra Budget ein, zum Beispiel um dir Bücher oder einen Online-Kurs zu kaufen, oder wenn du in einem Jahr ein neues Laptop anschaffen musst.
Weiter mit der Beispielrechnung:
Berufliche Kosten | |
Bürobedarf: Software, Telefon, etc. | 100 € |
Sparen für neues Laptop | 50 € |
Budget für Weiterbildung | 50 € |
Summe | 200 € |
Wenn du ein Büro mietest oder deine Buchhaltung durch einen Steuerberater erledigen lässt, kommen natürlich höhere Kosten zusammen.
Rechne deine privaten und beruflichen Kosten zusammen, und du hast deine Gesamtkosten:
Gesamtkosten pro Monat (private + berufliche Kosten) | 3.650 € |
Von deinen Überschüssen wird das Finanzamt Steuern einfordern, je nach deiner Steuerklasse persönlichen Verhältnissen ab. Grundsätzlich rate ich dazu, großzügige Rücklagen zu bilden.
Rücklagen für Steuern pro Monat | 500 € |
Mit allen Kosten und Steuern kämen wir in unserem Beispiel auf einen Bedarf von:
Benötigter Umsatz pro Monat (Kosten + Steuern) | 4.100 € |
Benötigter Umsatz pro Jahr (Monatsumsatz * 12) | 49.200 € |
Als Freelancer bekommst keinen bezahlten Urlaub und keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. In diesen Zeiten wirst du nichts verdienen. Wenn du vier Wochen Urlaub im Jahr planst und erfahrungsgemäß zwei Wochen krank sein wirst, bleiben dir noch 10,5 Monate im Jahr, an denen du arbeitest. Deshalb musst du deinen benötigten Jahresumsatz in diesen 10,5 Monaten erzielen.
Rechnen wir den Jahresumsatz von oben auf 10,5 Monate um, bekommen wir unseren benötigten Umsatz pro Monat:
Benötigter Umsatz pro Arbeitsmonat (Jahresumsatz / 10,5) | 4.685 € |
Dieser Umsatzzahl müssen wir nun durch deine möglichen Arbeitsstunden pro Monat teilen, um auf den benötigten Stundensatz zu kommen. Deine Auslastung ist hierbei der größte Einflussfaktor. Wenn du über längere Zeit in Vollzeit gebucht wirst, hast du den Jackpot (sofern du das möchtest). Dann kannst du 100 Prozent deiner Zeit abrechnen und eventuell mit einem niedrigeren Stundensatz leben. Bist du nur teilweise gebucht, brauchst du mehr pro Stunde.
Rechnen wir Beispiele mit zwei Auslastungen (auf Basis von durchschnittlich 4,3 Wochen pro Monat):
Abrechenbare Stunden pro Monat bei Vollzeit (4,3 Wochen * 40 Stunden) | 172 Stunden |
Abrechenbare Stunden pro Monat bei 3 Tagen pro Woche (4,3 Wochen * 24 Stunden) | 103 Stunden |
Noch der letzte Schritt: Welcher Mindeststundensatz ergibt sich je nach Auslastung?
Auslastung Vollzeit | Auslastung 3 Tage/Woche | |
Benötigter Umsatz pro Monat | 4.685 € | 4.685 € |
Geteilt durch die abrechenbaren Stunden | 172 Stunden | 103 Stunden |
Benötigter Mindeststundensatz (Umsatz / Stunden) | 27,23 € | 45,48 € |
Diese Stundensätze sind eher niedrig, also mehr als realistisch. Sofern du noch am Anfang deiner Karriere stehst, solltest du also eher auf eine hohe Auslastung hinarbeiten als auf hohe Stundensätze – dort liegt dein größter Hebel.
Damit möchte ich jedoch absolut nicht sagen, dass du dich unter Marktwert verkaufen solltest. Wenn du mehr bekommst, nimm mehr. Wenn du mehr Erfahrung hast, verlange mehr. In gefragten Bereichen wie in der IT sind auch als Junior schon 50-60 Euro pro Stunde drin.
Mit der obigen Rechnung hast du nur den niedrigsten Stundensatz ermittelt, den du zum halbwegs komfortablen Überleben brauchst. Das ist nicht das, wo du langfristig hinwillst. (Und deine eigene Rechnung kann ganz anders aussehen als mein Beispiel.)
Spätestens nach ein paar Jahren möchtest du nicht mehr nur deine Rechnungen bezahlen können. Du möchtest, dass sich deine Arbeit auszahlt, du Rücklagen anlegen und dir auch etwas gönnen kannst. Deshalb solltest du noch eine weitere Stundensatzrechnung durchführen:
Berechne deinen Wunsch-Stundensatz
Als Freelancer muss dein Umsatz deutlich höher sein als das Bruttogehalt eines Angestellten, weil auch deine Kosten und Abzüge deutlich höher sind – und dein Risiko.
Sagen wir einfach, du möchtest pro Monat einen Umsatz von 10.000 Euro erzielen, damit dir am Ende konfortable 5.000 Euro (oder etwas mehr) zum Leben bleiben.
Welchen Stundensatz brauchst du, um auf diesen monatlichen Umsatz zu kommen? Kalkulieren wir ihn erneut mit der oben beschriebenen Methode:
Auch diese Berechnung kannst du in der kostenlosen Vorlage zur Stundensatzkalkulation durchführen.
Gewünschter Umsatz pro Monat | 10.000 € |
Gewünschter Umsatz pro Jahr (Monatsumsatz * 12) | 120.000 € |
Wir gehen weiterhin von 4 Wochen Urlaub und 2 Wochen Krankheit aus. Außerdem kalkulieren wir ein, dass du einen weiteren Monat Leerlauf zwischen mehreren Projekten hast. Bleiben 9,5 Arbeitsmonate im Jahr, wodurch sich folgender erforderlicher Monatsumsatz ergibt:
Benötiger Umsatz pro Arbeitsmonat (Jahresumsatz / 9,5) | 12.631 € |
Ermitteln wir wieder deine abrechenbare Stunden je nach Auslastung:
Abrechenbare Stunden pro Monat bei Vollzeit (4,3 Wochen * 40 Stunden) | 172 Stunden |
Abrechenbare Stunden pro Monat bei 3 Tagen pro Woche (4,3 Wochen * 24 Stunden) | 103 Stunden |
Welchen Stundensatz brauchst du also mindestens für dein Ziel:
Auslastung Vollzeit | Auslastung 3 Tage/Woche | |
Benötigter Umsatz pro Monat | 12.631 € | 12.631 € |
Geteilt durch die abrechenbaren Stunden | 172 Stunden | 103 Stunden |
Benötigter Mindeststundensatz (Umsatz / Stunden) | 73,43 € | 122,63 € |
Bei Vollzeitauslastung reicht dir also ein durchschnittlicher Stundensatz für dein Wunscheinkommen aus und du hast trotzdem viel Urlaub. Wenn du nur in Teilzeit arbeitest, musst du als Freelancer schon Stundensätze im höheren Bereich verdienen. Wie du siehst, macht auch hier die Auslastung wieder den Unterschied.
Jetzt weißt du alles, was du über die Berechnung deines Freelancer-Stundensatzes wissen musst.
Marktübliche Stundensätze für Freelancer
Zum Schluss steht nur noch die Frage im Raum, ob du deinen Wunschpreis auch am Markt durchsetzen kannst. Das hängt stark von deinem Fachbereich und deiner Erfahrung ab, sowie von der Region des Kunden.
Laut dem freelancermap Freelancer-Kompass 2023 beträgt liegt der durchschnittliche Stundensatz von Freelancern bei rund 100 EUR. Das klingt nicht schlecht, man muss allerdings eines beachten:
Es gibt große Unterschiede zwischen den Märkten. Bei kreativen Freelancern sind eher 60-90 Euro üblich. Dort gab es in den letzten Jahren kaum Steigerungen. Im den Bereichen IT, Finanzen und Management-Beratung liegen die Stundensätze dagegen oft weit über 100 Euro.
Schau dich am besten auf verschiedenen Freelancer-Portalen um und analysiere, was andere mit ähnlichem Erfahrungslevel verlangen. Dann überlegst du, mit welcher Preisstrategie du dein Glück versuchen möchtest.
Und davon wünsche ich dir für deine Freelancer-Tätigkeit möglichst viel: nämlich Glück und Erfolg und pünktlich zahlende Kunden!